Lome Teil 7
Die Kakerlaken hatten sich inzwischen weiter vermehrt. Sie wurden immer aufdringlicher, als wollten sie die Grenzen unserer Leidensfähigkeit ausloten. Manchmal, wenn die Crew nachts bei spärlichem Licht zusammensaß, kamen sie wie Kamikazeflieger angeflogen. Wir diskutierten tagelange, ob die cockroaches als »living beings« geachtet werden müssten, als Lebewesen, und welchen Grund die wohl haben könnten, dass sie mit uns zusammenwohnten. Jeder versuchte das Dasein dieser Monster zu rechtfertigen. Es war nicht leicht. Die Golden Harvest wog normalerweise 70 Tonnen, inklusive Ballast. In Lomé vermutete Roy, dass sie 71 wog. Siebzig Tonnen Schiff, plus eine Tonne Kakerlaken. Kris ermunterte die Katzen den Kerbtieren den Garaus zu machen, aber die wollten ihren Spaß, betäubten die Käfer nur ein wenig, damit sie sich weiter bewegten und mit den Beinen zappelten. Einmal sah ich, wie ein Kakerlak, den Grey Too zerbissen hatte, weidwund in zwei verschiedene Richtungen davonlief.

Momo meinte, die Viecher seien unsterblich. Wir versuchten, den Tieren mit Fallen beizukommen, »cockroach-traps«, stellten nachts Töpfe mit Wasser auf und tropften in jedes Gefäß etwas Palmnussöl, weil die Kakerlaken das mochten. Am Morgen waren sie gefüllt. Das brachte jedes Mal ein Pfund. Was ist das gegen eine Tonne? No Nonsense konnte nur die kleinen Käfer fressen, sodass wir uns schließlich dazu durchringen mussten, den Schoner auszugasen. Es gab mehrere Giftgasbomben an Bord, deutsches Biogiftgas, Zyklon B, aus Zuckerrübenmelasse. Die Gebinde sahen so ähnlich aus, wie Donnerschläge für das Silvester Feuerwerk. Anders als die Zyklon B Dosen in Auschwitz. Das waren viereckige Dinger, mit dicker Lunte und einer Reibefläche, wie bei einem Streichholz.

Auf der Golden Harvest wurde nun immer öfter von Krieg gesprochen. Vom Krieg gegen die Kakerlaken. Dem »war on cockroaches!« Es folgten endlose Diskussionen über das Lebensrecht aller Lebewesen, bis wir uns auf eine gewaltfreie Sprachregelung einigten. Aus dem Krieg wurde eine hygienische Maßnahme, ein »cockroach cleanup!« Eine Säuberung! Das klang weniger gewalttätig. Der Vorschlag kam von Elise. Alle waren einverstanden.

Die drei Bomben mussten jeweils in einem Kochtopf in der Bilge gezündet werden. Nach wenigen Minuten sprengte die Lunte die Versiegelung und setzte das Gift frei. Die Freunde wussten wie es funktioniert. Sie hatten das Schiff schon mal gereinigt. Erfolglos, obwohl sie in drei Schritten vorgegangen waren, im Abstand von mehreren Wochen, um auch die zu erwischen, die bei den ersten Attacken noch in den Eiern steckten. Die Eier blieben vom Gas unberührt. Sobald die nächste Generation schlüpfte, musste der zweite Angriff durchgeführt werden, und schließlich ein Dritter, um den Rest zu erwischen. Es gab zu viele Überlebende. In Ghana und Nigeria kam frisches Blut dazu.

Diesmal wollten wir richtig zuschlagen. Ein Overkill sollte stattfinden. An dem Abend, als gemeinsam der Massenmord beschlossen wurde, behandelten wir die Kakerlaken noch mal ganz besonders freundlich, fühlten uns wie Verräter. Kris hatte seinen Lieblingskäfern berühmte Namen gegeben: Cecil Rhodes, Adolf Hitler, Idi Amin. Die mussten jetzt alle dran glauben.