Lome Teil 6
Die Golden Harvest war für das Geldverdienen tabu. Es durfte nicht sein. Das einzige Geld, das akzeptiert wurde, blieben freiwillige Spenden. Wir mussten uns etwas einfallen lassen. Ich dachte, es würde sicher leicht sein, die Seeleute auf den großen Schiffen bei irgendeiner Reparatur um Hilfe zu bitten, um ins Gespräch zu kommen. Es gab ein paar Arbeiten, die wir allein nicht erledigen konnten. Wir stellten eine Liste zusammen. Wenn ich danach fragte, ein paar Ösen geschweißt zu bekommen, zeigten sich die Leute hilfsbereit.

Die Rechnung ging auf. In den folgenden Tagen stand ich regelmäßig morgens nach dem Waschen mit dem Fernglas an Deck, um zu sehen, was im Hafen lag. Die großen Zeichen der Reedereien am Kamin konnte man mit bloßen Augen erkennen. Aus Deutschland kamen Woermann-Liner der Deutschen Afrika Linie. Sie blieben eine halbe Woche und fuhren dann nach Douala, oder zurück nach Hamburg.

Ich hatte inzwischen den Ehrgeiz entwickelt, die Golden Harvest wieder seeklar zu machen, damit keiner mehr sagen konnte, dass dies oder jenes fehlte. Das stand alles auf meiner Liste. So ging ich aufrecht an Bord. Stolz, wie ein Offizier. Es war angenehm. Bis auf das Paddeln durch den Hafen, gegen den Wind, mit diesem Meterstück vorne im Bug kniend unter der brennenden Sonne. Wir brauchten unbedingt neue Riemen.

Die Stückgutfrachter lagen an der Pier im Westen. Die Sonne kam aus Südosten. Ich musste die Schiffe von der Wasserseite anfahren. Die Hitze wurde von den Bordwänden reflektiert. Man konnte kaum atmen, beim Aufstieg über die Lotsenleiter. Die hing oft mittschiffs, sodass noch ein langer Weg über glühend heiße Decks zurückgelegt werden musste. Alles barfuß. Die Leute sahen, dass ich von dem Schoner kam. So landete ich regelmäßig in kürzester Zeit beim Kapitän des jeweiligen Schiffes, um mein Anliegen vorzutragen. Ich fragte nach Kleinigkeiten wie Schweißarbeiten oder speziellen Schrauben, die es in Afrika nicht zu kaufen gab. Sie halfen mit viel Sachverstand, hatten aber keine Riemen übrig, nur eine bestimmte Anzahl für die Rettungsboote. Häufig gab es Zigaretten und etwas zu essen.

Das Küchenpersonal interessierte sich am meisten für die Golden Harvest. Ob man da mal hin könnte und so. Manche wollten abends nach der Wache abgeholt werden, aber wenn sie dann das kleine Boot unter der dunklen Pier besteigen sollten, blieben sie lieber an Land. Das war denen zu finster. Dann hieß es, dass etwas dazwischen gekommen sei, und ich kurz warten sollte. Sie gaben mir Geschenke zum Trost. Wein, Whisky und Zigaretten. Die Suchtdrogen der Zivilisation. Ich kam nie mit leeren Händen zur Golden Harvest zurück.