Lome Teil 3
Das Gemeinschaftsleben fand abends statt, im Licht der Ankerlaterne an Deck, oder bei Kerzenschein in der Kombüse. Der Brief an die SWAPO kam nicht voran. Es sollte eine Selbstdarstellung werden. Wir wollten ein Bild von uns vermitteln. Dadurch wurden wir auf uns selbst zurückgeworfen. Es gab kein geschlossenes Bild der Golden Harvest Crew. Seit Lagos war alles anders. Es gab keine Ordnung mehr. Roy konnte das »cooking-chaos« nicht länger ertragen. Früher sei regelmäßig gekocht worden. Momo bezweifelte die Relevanz von Operation Namibia. Das sei ein falscher Weg. Er war ein begnadeter Redner, sprach mit Händen und Füßen und rührte zwischendurch Kakao, damit wir nicht schlapp machten. Auch die Kakerlaken hörten zu. Wir konnten sehen, wie sie um den Kerzenschein, an der Schattengrenze, ihre Fühler bewegten. Wenn jemand das elektrische Licht anmachte - husch! - dann waren sie alle weg.

Nach Mitternacht, wenn die anderen schon in der Koje lagen, blätterte ich manchmal im Fotoalbum der Golden Harvest. Kris hatte die vergangenen zwei Jahre Operation Namibia dürftig mit Bildern dokumentiert. Ich träumte mich hinein in diese Zeit, und entdeckte auf den Fotos Sachen, die sich auch jetzt noch an Bord befanden. Da gab es einen bunten button, so einen Sticker, den man sich anstecken konnte. Über einer Abbildung verschiedener Lebensmittel stand »Food is for sharing!« Auf einem der Fotos hatte Jude diesen Button an der Brust. Deshalb fiel mir das Blechding auf. Ich wusste bloß nicht, was sharing heißen sollte

Der Langenscheidt steckte irgendwo in der master’s cabin. Hans erklärte mir auf Englisch, dass das teilen hieß. Auf diesem Button stand also geschrieben: »Essen ist zum Teilen da!« - Toll! Das wusste ich schon als Kind, aber da hielten sie mich für spinnert. Jetzt stand es auf einem Button. Dieser Knopf hing an einem Kerzenhalter, der auf dem Tisch stand. Da lagen immer viele Sachen herum, auch Bücher und Briefe, und in der Nacht die Kakerlaken.