Lagos Teil 12
Das Gelände der Immigration erinnerte an ein Internierungslager. Unmengen Stacheldraht, Uniformierte, grimmige Gesichter, Baracken, Wachtürme und elektrische Zäune. Auf einem verschlammten Platz prügelten Soldaten mehrere Hundert zerlumpte Gestalten auf bereitstehende Lastwagen. Illegale Einwanderer aus Ghana. Der Botschafter wusste darüber Bescheid. Die wurden gerade repatriiert.

Vor einer großen Holzbaracke musste ich aussteigen. Kris gab mir eine Schachtel Zigaretten, falls wir uns nicht mehr wiedersehen würden. Frank Unvin wirkte sehr ernst. Er könne für nichts garantieren, nur Glück wünschen. Der Beamte dort sei korrekt. Ich solle einfach offen sprechen.

Von nun an war ich allein, ging langsam auf die Tür zu, und klopfte vorsichtig, wie früher beim Zahnarzt. Von innen rief jemand:
»Come in!«

Hinter dem hölzernen Schreibtisch stand ein großer, stolzer Afrikaner, eine seriöse Erscheinung mit Anzug und Krawatte über hellblauem Seidenhemd. Ein zivilisierter Mensch. Er reichte mir über den Schreibtisch hinweg die Hand. Meine Angst war plötzlich verschwunden. Dem konnte man getrost die Wahrheit erzählen. Er wollte wissen, was er für mich tun könne:
»How can I help you?«

Durch den täglichen Umgang mit Kris war mein Englisch besser geworden. Ich erzählte die ganze Geschichte, dass der Schoner nun in Lomé lag, und dass ich einen Immigrationsstempel bräuchte, um nach Togo ausreisen zu können. Der Beamte blätterte den Pass durch und lächelte freundlich:
»No problem«, das würde in Ordnung gehen.
Er rief einen Soldaten. Dem sollte ich folgen.

Der Krieger spielte mit seiner Waffe. Er führte mich durch dunkle Korridore in eine große Halle. Hinter mir fiel die Tür ins Schloss. Der Raum war überfüllt mit verängstigten Asylbewerbern, Müttern, Kindern, Opas und Omas. Die sahen genauso erbärmlich aus wie die Leute, die draußen auf die Lastwagen geprügelt wurden. An den Ausgängen standen Soldaten. Sie hatten mich reingelegt. Mein Mut lag am Boden. Über der Rezeption prangte das Porträt des Diktators in Uniform.

Hinter dem Tresen brüllte jemand Kommandos. Die Flüchtlinge rannten einzeln nach vorn. Die Kommandos waren offenbar Namen. Lag ein Zettel im Pass, durften sie die Halle verlassen, wenn nicht, wurden sie abgeführt und verprügelt. Es war die Hölle.