Lagos Teil 9
Es war toll, endlich wieder unterwegs zu sein und die Reede zu sehen, mit den vielen Frachtern, wie an dem Tag, als die Patria Nigeria erreichte. Das lag nun bereits fünf Wochen zurück. Die Schiffe zerrten an ihren Ankerketten. Das Wasser auf Lagos Reede wurde ständig in Bewegung gehalten, durch eine unerträgliche Dünung, die in Verbindung mit langen Liegezeiten schon so manchen Seemann das Leben kostete. Allein auf der Patria gingen vor meiner Zeit zwei Besatzungsmitglieder mit gepacktem Seesack auf den Schultern über Bord, weil sie den Verstand verloren, nachdem das Schiff ein halbes Jahr lang auf Reede durchgeschaukelt worden war.

Je weiter wir uns vom Ufer entfernten, desto stärker wurde mein Eindruck, dass es das Meer an diesem Tag nicht besonders gut mit uns meinte. In unberechenbaren Abständen warf es der Aqua Queen die gemeinsten Wellen vor den Bug. Das Trinkwasser in den Tanks kam bösartig zischend durch die Überdruckventile an Deck. Der Mann am Ruder verfluchte die See. Kris war merklich blass um die Nase.

Wir durften das UKW Funkgerät benutzen und unterwegs die Schiffe befragen. Die Antworten waren frustrierend. Niemand wusste etwas genaues, obwohl fast jeder die Golden Harvest gesehen haben wollte. Die meisten hatten den Schoner für ein nigerianisches Piratenschiff gehalten. Sie wirkten nun nachträglich erleichtert.

Später kam der Ruf von einem RoRo Schiff, das etwa vier Kabellängen vor uns in der Dünung lag. Schlechte Nachrichten: Ein schwarzer Zweimaster sei längsseits gekommen, ohne die Funk- und Flaggensignale zu beachten. In der Annahme, es handele sich um Piraten, habe der Erste Offizier den Schoner beschossen. »Sorry!« Danach sei das Segelschiff in Richtung Süden weitergefahren.