Lagos Teil 4
Ich springe über das Schanzkleid und mache mich bemerkbar:
»Bitte, an Bord kommen zu dürfen!«

Niemand antwortet. Zwischen den Masten liegt als Sonnenschutz ein großes, blassgrünes Rahsegel, wie ein Zelt. Im Schatten darunter entdecke ich undeutlich eine Gestalt und rufe erneut:
»Bitte, an Bord kommen zu dürfen!«

Nichts. Keine Antwort. Ich bleibe erst einmal stehen und betrachte all die Details um mich herum, die zu einem Segelschiff gehören, die Wanten mit den Jungfern und Webeleinen, die Nagelbretter mit den Belegnägeln und den vielen Tauen. Ich fühle mich geehrt, im Schatten eines echten Gaffelsegels zu stehen, das, zum Lüften gesetzt, schlaff und schwer in der Mittagshitze schmort.

Die Gestalt unter der Persenning rührt sich nicht, scheint aber irgendetwas vor sich hin zu murmeln. Mir ist es recht, dass mich keiner behelligt. Hier gibt es soviel zu sehen. Es ärgert mich, dass ich zu feige war, den teuren Fotoapparat mitzunehmen. Das Ruderhaus ist ebenfalls aus Holz gebaut. Die geöffneten Schiebefenster bieten freien Einblick ins Innere. Ich bestaune die Anlage mit den Ketten und Zahnrädern. Das Steuerrad selbst scheint mir ein wenig zu klein für ein Segelschiff dieser Größe. An der Decke hängt ein alter Magnetkompass.

Auf einmal wird mir mulmig. Achtern hat sich etwas bewegt. Jemand versucht sich anzuschleichen. Ich löse die Sicherung des Kampfmessers und drehe mich langsam um. Ein Huhn stolziert über die Planken. Ein kleines hellbraun getüpfeltes Gickel mit rotbraunem Kopf und grauen Beinen. Es schaut mich herausfordernd an, pickt an Deck herum und kratzt mit den Füßen. Mein Puls rast. Das Tier weckt schmerzliche Erinnerungen. Es springt auf die Reling und behält mich im Blick. Die Henne hat ein intelligentes Gesicht mit hübschen dunklen Augen, umrahmt von bronzenem Gefieder, sowie je einen weißen Fleck rechts und links hinter den Mundwinkeln. Sie scheint zu grinsen.